In Österreich gibt es seit 2020 stärker werdende Bestrebungen, digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) in die reguläre Gesundheitsversorgung zu integrieren. Kommt die „App auf Rezept“ also nun nach Österreich?

In diesem Artikel geben wir Ihnen einen Überblick über:

  • den geplanten Zulassungsprozess in Österreich
  • den aktuellen Stand (2024) der Anforderungen an DiGA in Österreich
  • den Zeitplan zur Einführung eines DiGA-Zulassungsprozesses in Österreich

Inhalte dieses Artikels

1. Hintergrund des DiGA-Konzepts

Deutschland hat 2020 als Pionier das Konzept einer digitalen Gesundheitsanwendung („DiGA“) eingeführt. DiGA sind auch als „Apps auf Rezept“ bekannt und können vom Arzt an Patienten verschrieben werden. Für sie wurde in Deutschland ein spezieller Zulassungsprozess geschaffen: der DiGA-Fast-Track. Digitale Produkte, die diesen Zulassungsprozess erfolgreich durchlaufen haben, werden von den Krankenkassen auf Rezept erstattet.

Länder wie Frankreich und Belgien folgten mit eigenen Zulassungs- und Erstattungsprozessen, die sich am deutschen Fast-Track Verfahren orientieren.

In Zukunft könnte das Konzept einer DiGA auch nach Österreich kommen – mehr dazu in den untenstehenden Kapiteln.

2. Ausgangssituation für digitale Gesundheitsanwendungen

Ausgelöst durch Deutschlands Einführung des DiGA-Fast-Tracks, verstärkte sich 2020 auch in Österreich die Diskussion zur Einführung eines Zulassungsprozesses für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA).

Seit Juni 2023 bildet der Digital Austria Act die Basis dieser Gespräche. Er zielt darauf ab, das österreichische Gesundheitssystem für digitale Innovationen zu öffnen und einen rechtlichen Rahmen für die Integration von DiGA zu schaffen.

Unter Punkt 7.4 ist dort aufgeführt:

„Die Verschreibung qualitätsgesicherter Digitaler Gesundheitsanwendungen soll in Zusammenarbeit mit der Sozialversicherung ermöglicht werden und die telemedizinische Versorgung ergänzen.“

Wie genau dieser Zulassungsprozess aussehen soll, ist noch nicht abschließend geklärt. Aufgrund des intensiven Austauschs mit deutschen Stakeholdern scheint es möglich, dass sich Österreich an ähnlichen Standards wie Deutschland orientieren wird. So sollen Qualität und Effektivität der erstattungsfähigen DiGA sichergestellt werden.

3. Zulassung als Medizinprodukt vs. Erstattung durch Krankenkassen

Im Zusammenhang mit digitalen Gesundheitsanwendungen ist es wichtig zwischen zwei Zulassungsprozessen zu unterscheiden:

  • Der Zulassung von (digitalen) Medizinprodukten nach Medical Device Regulation:
    Durch die Zulassung nach MDR sind Sie befugt, Ihr Medizinprodukt in Europa auf den Markt zu bringen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Sie auch Geld von den Krankenkassen für Ihr Produkt erhalten. Es geht hier erstmal nur um die Freigabe, dass Ihr Produkt Sicherheit und leistungsfähig ist und somit grundsätzlich von Anwendern genutzt werden darf.
  • Die Zulassung von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) für die Erstattung durch Krankenkassen:
    Wenn Sie Ihr digitales Produkt über die Gelder von Krankenkassen finanzieren möchten, müssen Sie sich mit länderspezifischen Regelungen beschäftigen. In Deutschland ist dies z.B. der DiGA-Zulassungsprozess beim BfArM, der Ihnen ermöglicht Ihr Produkt durch Krankenkassen erstatten. Hierfür muss Ihr Produkt übrigens bereits als Medizinprodukt nach MDR zugelassen sein.

Ein digitales Medizinprodukt in Österreich auf den Markt zu bringen, ist aktuell durch die MDR bereits fest geregelt und ohne Probleme möglich. Ein standardisierter Prozess, wie Sie speziell ein digitales Gesundheitsprodukt in Österreich durch Krankenkassen erstatten lassen können, wird hingegen erst noch erarbeitet.

DiGA in ÖsterreichEine stark vereinfachte Abbildung der regulatorischen Abgrenzungen von DiGA in Österreich.

4. Der Weg zur Erstattung für DiGA in Österreich

Zum jetzigen Zeitpunkt ist die genaue Ausgestaltung des Zulassungsprozesses noch weitestgehend unklar. Sowohl von Herstellerseite als auch von offizieller Seite wie der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) wird oft der deutsche DiGA-Fast-Track als Referenz angegeben. Es werden jedoch keine einzelnen Aspekte des deutschen Verfahrens hervorgehoben. Auch die Möglichkeit einer vorläufigen Zulassung ohne abgeschlossenen Wirksamkeitsnachweis wurde noch nicht abschließend geklärt.

Es gibt jedoch einige Anhaltspunkte, die mehr Aufschluss über die geplanten Anforderungen eines österreichischen DiGA-Zulassungsprozesses geben.

4.1 Anforderungen an digitale Gesundheitsanwendungen in Österreich

Konkrete Empfehlungen für Anforderungen an DiGA im österreichischen Gesundheitssystem hat das AIHTA (Austrian Institute for Health Technology Assessment) 2020 in einer ersten Studie veröffentlicht. Das AIHTA ist ein unabhängiges Institut zur wissenschaftlichen Entscheidungsunterstützung im Gesundheitswesen. Gesellschafter sind insbesondere die Länder Österreichs sowie der Dachverband der Sozialversicherungen.

Folgende Kriterien empfahl das AIHTA zur Qualitätsüberprüfung von DiGA:

  • In einem ersten Schritt sollen DiGA auf Vorliegen einer CE-Kennzeichnung, sowie einer Einordnung nach Risikoklassen laut MDR überprüft werden.
  • Die gemeldete Risikoklasse nach MDR soll anschließend dazu verwendet werden, die notwendigen Evidenznachweise, wie zum Beispiel die Durchführung von Studien, festzulegen. Zuständig dafür ist die AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit).
  • Eine Zulassung als erstattungsfähige DiGA soll unter Einbeziehung des Dachverbands der Sozialversicherungen ausgestellt werden. Die Kriterien sind dabei klinische Wirksamkeit und Sicherheit, zu erwartende Kosten im Gesundheitssystem, Datensicherheit und -schutz sowie Usability und Interoperabilität.
  • Der Prozess soll laut Empfehlung des AIHTA pilotiert und dabei angepasst werden.

Grafik: Der Prozess zur Qualitätsüberprüfung einer DiGA in Österreich folgt drei Schritten.

Viele der Kriterien des AIHTA wurden auch auf der LISAvienna Regulatory Konferenz im Herbst 2023 diskutiert:

  • Therapietreue als Qualitätskriterium
  • Nutzung von (anonymisierten) Gesundheitsdaten für ärztliches Fachpersonal, Hersteller oder zu Forschungszwecken
  • Keine Brüche im digitalen Versorgungsweg: Anbindung an andere digitale Lösungen im Gesundheitswesen wie die österreichische Patientenakte ELGA
  • Notwendigkeit der Bekanntmachung von digitalen Gesundheitsanwendungen, um Interesse an DiGA seitens Patienten sowie von ärztlicher Seite zu etablieren

Welche Kriterien schlussendlich im finalen Zulassungsprozess auch so übernommen werden, ist bisher noch nicht absehbar.

4.2 Zeitplan für DiGA in Österreich

Für die reguläre Erstattung von DiGA ist es von entscheidender Bedeutung, welche Anforderungen der Dachverband der Sozialversicherungsträger und die Österreichische Gesundheitskasse für DiGA festlegen. Erst danach ist absehbar, welche Art von digitalen Gesundheitsanwendungen überhaupt erstattungsfähig sind. Hier werden die erarbeiteten Rahmenbedingungen im Rahmen der geplanten Pilotierung 2024 Aufschluss geben.

In der eHealth Strategie Österreich ist die Einführung von digitalen Gesundheitsanwendungen in die Regelversorgung folgendermaßen erwähnt:

„Schaffung eines einheitlichen Prozesses für die Bewertung digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGAs) und in weiterer Folge bei darstellbarem Nutzen deren Einführung in die Regelversorgung. Priorisierung/zeitliche Planung: Kurzfristig (2024-2026)”.

Diese Angaben sind nicht rechtlich bindend und geben daher nur einen ungefähren Fahrplan vor.

Durch den flexiblen Zeitrahmen und das Fehlen konkreter Maßnahmen in der eHealth Strategie bleibt abzuwarten, welche Fortschritte tatsächlich in nächster Zeit bezüglich des Zulassungsweges und der Erstattungsmechanismen für DiGA gemacht werden.

5. Bisherige Erstattungsmöglichkeiten in Österreich

Bereits jetzt können digitale Gesundheitsanwendungen in Österreich ausnahmsweise erstattet werden. Diese Anwendungen fallen unter die Kategorie “Sonstige notwendige Heilbehelfe” gemäß § 137 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG). Patienten können somit unter Einhaltung bestimmter Bedingungen einen Anspruch auf Kostenerstattung geltend machen.

Laut § 133 Abs. 2 ASVG ist es entscheidend, dass die DiGA den beabsichtigten Zweck erfüllen, ohne das notwendige Maß zu überschreiten. Die Überprüfung dieser Bedingung erfolgt individuell für jeden Antrag, wodurch die Erstattung nur in Einzelfällen gewährt wird.

Die Nutzung von Gesundheitsapps wird in Österreich bereits seit einiger Zeit gefördert. Eine Umfrage des österreichischen Dachverbands der Sozialversicherungen aus dem Jahr 2018 ergab, dass 9 von 16 Organisationen innerhalb der österreichischen Sozialversicherung insgesamt 22 Gesundheitsapps kostenfrei an ihre Versicherten abgaben. Auffällig dabei war, dass für die Mehrheit dieser Angebote kein Nachweis eines Versicherungsverhältnisses erforderlich war, was die Zugänglichkeit erhöht. Im Jahr 2018 boten damit etwas mehr als die Hälfte der Krankenversicherungen in Österreich solche digitalen Gesundheitsanwendungen an.

Grafik: Angebot von Gesundheitsapps durch Krankenversicherungen in Österreich in 2018

Ein wesentliches Thema in diesem Zusammenhang ist die Qualitätsprüfung der angebotenen Apps. Bislang war die Klassifizierung als Medizinprodukt kein notwendiges Kriterium für die Bereitstellung der Apps. Es existiert hierzu keine einheitliche Qualitätskontrolle. Nichtsdestotrotz wurde versucht, bestimmte grundlegende Qualitätskriterien zu berücksichtigen, wie aus entsprechenden Grafiken und Auswertungen hervorgeht.

Grafik: Anzahl der Gesundheitsapps in Österreich nach Erfüllung bestimmter Kriterien

Interessanterweise konzentrierte sich der Großteil der verfügbaren Anwendungen auf die Prävention. Nur 5 der 22 untersuchten Apps waren in ein Behandlungs- oder Telemonitoring-Konzept integriert und somit speziell für erkrankte Personen konzipiert.

6. DiGA-Modelle in anderen Ländern

Immer mehr Länder planen einen standardisierten Prozess, um digitale Gesundheitsanwendungen in die Regelversorgung zu bringen. Neben Österreich sollten Sie außerdem einen Blick in die folgenden Länder werfen:

7. Fazit

2024 scheint Bewegung in die österreichische Diskussion um die Einführung von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) gekommen zu sein. Trotz der großen geäußerten Motivation aller Beteiligten ist aktuell jedoch noch kein gesetzlicher Zulassungsprozess in Sichtweite.

Die Ergebnisse des AIHTA-Pilotierungsverfahrens werden gespannt erwartet. Der nächste wichtige Schritt ist die Festlegung der Anforderungen, die eine DiGA in Österreich erfüllen muss. Wichtig sind anschließend die konkreten Voraussetzungen für die Erstattung durch die Krankenkassen.

Erst dann bieten sich für Hersteller gesicherte Rahmenbedingungen, um DiGA in Österreich zu vertreiben.

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