Die Umsetzung einer digitalen Gesundheitsanwendung (DiGA) geht mit Aufwand und Kosten einher, die sich am Ende für Ihr Unternehmen lohnen sollten.
Und tatsächlich – viele zertifizierte DiGA, die es auf den Markt schaffen, zeigen überaus positive Verordnungs- und Umsatzzahlen. Andere hingegen bekommen keine Zulassung oder scheitern bereits vor der Antragstellung. Doch warum ist es so? Welche Faktoren beeinflussen das Scheitern oder den Erfolg Ihrer DiGA? In diesem Artikel fassen wir die wichtigsten Faktoren und Empfehlungen zusammen, die Sie im Jahr 2023 bei der Planung und Umsetzung bis hin zu der Zulassung Ihrer DiGA beachten sollten.
1. Der positive Versorgungseffekt im Fokus
Bei der Konzeption und dem Design Ihrer DiGA sollte der positive Versorgungseffekt im Mittelpunkt stehen. Wenn Ihre Studie am Ende keinen signifikanten Effekt auf die Patientenpopulation nachweisen kann, wird Ihre DiGA auch nicht dauerhaft im DiGA-Verzeichnis aufgenommen. Das sollte daher der Mittelpunkt jeglicher Produkt-Design-Entscheidungen sein.
Studien-Endpunkte frühzeitig definieren
Definieren Sie frühzeitig, welchen positiven Versorgungseffekt Sie anstreben möchten. Seien Sie hierbei so konkret wie möglich. Definieren Sie die primären und sekundären Endpunkte Ihrer Studie ggf. bereits während der Produktplanung.
Design mit Fokus auf positiven Versorgungseffekt
Jedes Produkt-Feature, das nicht unmittelbar zu einer Steigerung des angestrebten Versorgungseffekts beiträgt, sollte hinterfragt werden. Es ist ohnehin schon eine große Herausforderung, im DiGA-Verzeichnis zu landen. Jede zusätzliche Produktkomplexität erhöht Ihre Kosten und Time-to-Market. Sie sollten zusätzliche Funktionen nur einbauen, wenn diese auch sehr wahrscheinlich einen positiven Einfluss auf den Versorgungseffekt haben.
Nutzung von existierender Evidenz
Nutzen Sie beim Design existierende Evidenz in Ihrem angestrebten Indikationsgebiet. Anerkannte Leitfäden bieten eine solide empirische Grundlage und etablierte Therapiemethoden sind gut erforscht. Daher stehen auch die Chancen gut, dass Sie mit Ihrer digitalen Lösung ebenfalls einen positiven Versorgungseffekt nachweisen können.
Unsere Empfehlung:
Stellen Sie sich bei jeder Produkt-Funktion die Frage: „Hat diese Funktion einen Einfluss auf den positiven Versorgungseffekt meiner DiGA?“. Features, die „nice-to-have“ sind, sollten Sie erstmal weglassen und sich auf die medizinisch relevanten Produkt-Funktionen fokussieren.
2. Planen Sie BSI TR-03161 bereits beim Produktkonzept mit ein
Seit 1. Januar 2025 müssen DiGA zur Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis vorher von einer akkreditierten Prüfstelle nach BSI TR-03161 zertifiziert werden.
Die Sicherheitsanforderungen der BSI-TR-03161 sind umfangreich und haben teilweise einen tiefgreifenden Einfluss auf das technische Konzept und sogar die Nutzeroberfläche Ihrer DiGA.
Eine fertig entwickelte DiGA nachträglich BSI-konform zu machen ist allerdings deutlich mehr Aufwand als die Anforderungen von Anfang an bei der technischen Planung zu integrieren.
Die Sicherheitsanforderungen der BSI TR-03161 beeinflussen z.B. indirekt:
- Die Auswahl der Software-Frameworks & -Bibliotheken
- Die technische Architektur
- Die Auswahl des Server-Anbieters (Stichwort „C5-Zertifikat“)
- Verschlüsselungskonzept
- Technische Kommunikation der Komponenten
- Authentifizierungsmethoden
- Etc.
Unsere Empfehlung:
Wenn Sie Aufwand und Kosten sparen möchten, beschäftigen Sie sich mit der BSI TR-03161 bevor Sie die Entwicklung Ihrer Software beginnen. Identifizieren Sie die Anforderungen, die maßgeblichen Einfluss auf Ihr technisches Konzept haben und integrieren Sie diese entsprechend frühzeitig. Gerne unterstützen wir Sie hierbei mit Beratungs- oder Entwicklungsleistungen (hier finden Sie mehr Informationen).
3. Planen Sie Ihre klinische Studie ausreichend
Im Startup-Bereich gibt es viele einflussreiche Paradigmen, die es Unternehmern erlauben, die Erfolgswahrscheinlichkeit der eigenen Firma zu erhöhen:
- „Move fast and break things“ (Facebook)
- „Responding to change over following a plan“ (Agile Software Development Manifesto)
- „Fail Faster“
Diese Mantren und Strategien sind in gewissen Kontexten enorm hilfreich und wichtig. Wenn es um die Planung eines Medizinprodukts oder einer DiGA geht, ist Voraus-Planung jedoch deutlich wichtiger als im klassischen Software-Startup-Bereich.
Ihre DiGA muss in einer klinischen Studie den positiven Versorgungseffekt nachweisen, um dauerhaft im Verzeichnis gelistet zu sein. Diese sind sehr zeit- und kostenintensiv, weshalb das Budget oft nur für ein oder zwei Studien ausreicht. Daher können Sie nur eine begrenzte Anzahl an Produkt-Ansätzen ausprobieren bzw. evaluieren. Der Druck steigt, dass der erste Ansatz der Richtige sein muss. Demnach müssen Sie ausreichend planen, um die Erfolgswahrscheinlichkeit dieses Ansatzes zu erhöhen.
Die Planung der DiGA sollte natürlich auch die Ergebnisse aus etwaiger qualitativer und quantitativer User Research berücksichtigen. Sie können zu Beginn verschiedene Ansätze in Betracht ziehen. Sobald Sie sich jedoch für einen entschieden haben, ist ein Richtungswechsel deutlich schwieriger.
Abseits von der Produktkonzeption gilt es auch bei der Studie, auf Qualität zu achten. Wie Sie bestimmt wissen, müssen Sie eine vergleichende Studie durchführen.
Hier sind unter anderem die folgenden Fragen zu beantworten:
- Wie groß soll die Stichprobe sein?
- Für welche Patientengruppe (ICD-Code) wollen Sie konkret einen Nachweis erzielen?
- Wie erhalten Sie Zugang zu dieser Patientengruppe?
- Wie sieht deren aktuelle Versorgungsrealität aus?
- Welche ethischen Bedenken gibt es bei der Studie?
- Wie viele Vergleichsgruppen benötigen Sie?
- Wie wird bei der Gruppenzuweisung der Probanden vorgegangen?
- Welche Endpunkte sollen konkret gemessen werden – und wie wollen Sie diese erheben?
- Wie lange muss die DiGA genutzt werden, um einen positiven Versorgungseffekt nachzuweisen?
- Welchen Versorgungseffekt soll Ihre DiGA überhaupt erzielen?
Suchen Sie sich für die klinische Studie am besten einen zuverlässigen Partner, welcher speziell mit DiGA- und Software-Studien bereits Erfahrungen hat (gerne helfen wir Ihnen bei der Auswahl der CRO mit unserem Kontaktnetzwerk – schicken Sie uns einfach hierzu eine kurze Nachricht).
Außerdem steht nach Ende des Erprobungszeitraums die Preisverhandlung mit dem GKV-Spitzenverband an. Dort entscheidet sich, wie lukrativ Ihre Anwendung auf Dauer sein wird. Die Qualität Ihrer Studie und die Stärke des positiven Versorgungseffekts sind dabei enorm wichtige Verhandlungsargumente, die es Ihnen ermöglichen, einen dauerhaft höheren DiGA-Preis zu erzielen.
Unsere Empfehlung:
Prüfen Sie, ob es existierende wissenschaftliche Evidenz gibt, die suggeriert, dass Ihre DiGA einen positiven Versorgungseffekt nachweisen kann – und wenn ja, wie dieser aussieht. Fahren Sie erste qualitative und quantitative Untersuchungen, um zusätzliche Daten für die Produkt-Konzeption zu generieren. Planen Sie zudem das Studiendesign (ggf. mit einer CRO) wirklich gut, damit Sie keine Überraschungen während oder bei Abschluss der Studie zu erwarten haben. Je sauberer Ihr methodisches Vorgehen ist, desto größer ist die Chance, eine dauerhafte Zulassung zu bekommen und einen höheren Preis für Ihre DiGA zu verhandeln.
4. Arbeiten Sie mit den richtigen Medizinprodukt-Beratern zusammen
Eine DiGA muss vor dem Antrag als Medizinprodukt zugelassen werden. Gerade im Medizinprodukte-Bereich sollten Sie sich Partner suchen, die Sie zielführend hierbei beraten können. Schlechte Berater kosten Sie enorm viel Zeit und Geld. Gute Berater helfen Ihnen, zügig und kostenschonend auf den Markt zu gelangen.
Unpassende Berater zeichnen sich z.B. durch folgende Eigenschaften aus. Sie …
- … haben wenig Vorwissen in Bezug auf Standalone-Software. Die Berater kommen z.B. aus dem Hardware-Bereich und haben Schwierigkeiten, die Komplexität und das Mindset in der Standalone-Software-Entwicklung zu verstehen.
- … haben keine Erfahrung mit agiler Entwicklung, schon gar nicht in Bezug auf Medizinprodukte.
- … erklären Dinge unnötig kompliziert und zeigen keinen klaren Weg zur Umsetzung auf.
- … treiben die Beratungskosten künstlich in die Höhe, indem sie sich unersetzlich machen. Sie blockieren den Wissenstransfer zu Ihrem Unternehmen entweder wissentlich oder unbewusst.
Gute Berater hingegen …
- … finden pragmatische Lösungen, die kreativ und konkret umsetzbar sind. Gute Berater kennen die Regeln und wissen, wie man diese befolgt, ohne unnötig Ressourcen zu verbrennen.
- … erarbeiten Lösungen, die in Ihr Unternehmen passen, anstatt Ihnen umständliche ihre Standard-Prozeduren aufzuzwingen.
- … erklären Dinge in einfacher Sprache und ermöglichen somit Wissensvermittlung zu Ihrem Team. Gute Berater machen sich Stück für Stück selbst überflüssig, sodass Ihr Team irgendwann auf eigenen Beinen steht.
- … veranstalten nicht für jedes kleine Problem einen mehrtägigen Workshop, sondern helfen effizient beim Finden einer Lösung.
Vergessen Sie nicht, dass Sie jeden Monat, den Sie nicht als DiGA gelistet sind, kein Geld verdienen, aber dennoch Kosten haben. Daher ist gute Beratung absolut integral für den Erfolg Ihres Produkts.
Unsere Empfehlung:
Seien Sie sich der oben genannten Probleme bewusst und vorsichtig bei der Auswahl Ihrer Berater. Gerne helfen wir Ihnen hier mit unserem Netzwerk und vermitteln Ihnen vertrauenswürdige Berater für Ihre Problemstellung. Sprechen Sie uns einfach kurz über unser Kontaktformular hierzu an.
5. Nutzen Sie das Beratungsangebot des BfArM
In Bezug auf produkt-spezifische DiGA-Fragen sollten Sie mit dem BfArM Kontakt aufnehmen. Versuchen Sie natürlich zuerst, sich die Fragen selbst durch das Studieren des BfArM-Leitfadens und der DiGAV zu beantworten. Einige Fragen sind allerdings so individuell, dass Sie eine fallspezifische Einschätzung des Prüfers (dem BfArM) benötigen.
Zögern Sie also nicht, eine kostenpflichtige Beratung beim BfArM hierfür zu buchen. Wenn Sie Ihre Fragen gut vorbereitet haben, bekommen Sie so wichtige Antworten, die über den Erfolg Ihrer Listung im Verzeichnis entscheiden können.
Aber Vorsicht!
Wartezeiten für Beratungsgespräche mit dem BfArM sind teilweise enorm lang. Sie sollten ggf. damit rechnen, dass Sie mindestens 6 Monate auf einen Termin warten müssen.
Unsere Empfehlung:
Der BfArM-Leitfaden, sowie die Zusammenarbeit mit Beratern wird Ihnen den Großteil Ihrer Fragen beantworten. Für produktspezifische Schlüsselfragen sollten Sie sich jedoch an das BfArM wenden, um Überraschungen im Prüfprozess zu vermeiden.
6. Visieren Sie Risikoklasse I an
Aktuell herrscht weiterhin Unsicherheit, ob es unter MDR in Zukunft noch Software-Medizinprodukte der Risikoklasse I geben wird. Die aktuelle Situation (Stand 2025) beschreiben wir in unserem Fachartikel hier.
Kurz zusammengefasst: Es existiert eine gesetzliche Grauzone mit Interpretationsspielraum. In vielen Bundesländern ist aktuell aber weiterhin eine Zulassung unter Risikoklasse I möglich.
Bisher sind zum Beispiel fast alle unter MDR zugelassenen Anwendungen im DiGA-Verzeichnis der Risikoklasse I zugeordnet. In unserem DiGA-Verzeichnis für Hersteller können Sie sich darüber einen konkreten Überblick verschaffen.
Ob auch Ihr Medizinprodukt in die Risikoklasse I fällt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Lesen Sie dafür den oben erwähnten Artikel.
Generell geht mit einer Software der Risikoklasse IIa erheblicher Mehraufwand und Zusatzkosten für die Zertifizierung mit einer Benannten Stelle einher. Es kann sich lohnen, die Anwendung und vor allem die Zweckbestimmung so zu definieren, dass Ihr Produkt unter die Risikoklasse I fällt.
Uns ist natürlich vollkommen klar, dass eine entsprechende Änderung am Konzept nicht für jedes Produkt möglich ist. Da es aber insbesondere bei Produkten, die von Patienten verwendet werden, durchaus häufig funktionieren kann, lohnt es sich unter Umständen, über diesen Punkt nachzudenken.
Gerne beraten wir Sie hierzu und evaluieren, ob Risikoklasse I für Ihr Produkt klappen könnte.
Unsere Empfehlung:
Definieren Sie die Zweckbestimmung Ihrer Anwendung so, dass eine Klassifizierung nach Risikoklasse I potenziell möglich ist. Ab Risikoklasse IIa kommt erheblich mehr Aufwand auf Sie zu. Im Notfall können Sie Ihr Produkt später noch auf Risikoklasse IIa hochstufen und sich hierfür eine benannte Stelle suchen.
7. Verwenden Sie existierenden Code zur Umsetzung der ePA- und GesundheitsID-Anbindung
Die Anbindung an die elektronische Patientenakte (ePA) und die GesundheitsID kann eine erhebliche Herausforderung darstellen – insbesondere für Unternehmen, die sich erstmals mit diesen Schnittstellen auseinandersetzen. Die technischen Spezifikationen sind komplex, und die offizielle Dokumentation ist umfangreich und teils schwer verständlich.
Doch es gibt Abkürzungen: Statt sich mühsam durch die Spezifikationen zu arbeiten und eine eigene Implementierung von Grund auf zu entwickeln, lohnt es sich, auf existierenden Code und technische Beratung zurückzugreifen. Wer mit einem Partner zusammenarbeitet, der bereits Erfahrung mit der Integration hat, spart nicht nur Entwicklungsaufwand, sondern reduziert auch das Risiko von Implementierungsfehlern.
Unsere Empfehlung:
Nutzen Sie bestehende Implementierungen und das Know-how erfahrener Partner, um die ePA- und GesundheitsID-Anbindung effizient umzusetzen. So vermeiden Sie langwierige Trial-and-Error-Phasen und können sich schneller auf die eigentliche Entwicklung Ihres Produkts konzentrieren.
QuickBird Medical bietet sowohl wiederverwendbare technische Komponenten als auch technische Beratung hierfür an. Mehr Informationen finden Sie hier.
Sechs weitere DiGA-Tipps erhalten Sie in unserem Whitepaper…
Alle weiteren Tipps rund um die Zulassung und Zertifizierung finden Sie in unserem DiGA-Whitepaper. Einfach über das Formular downloaden.
Fazit
Erhöhen Sie die Erfolgswahrscheinlichkeit Ihrer DiGA
Die Entwicklung einer DiGA ist durch die regulatorischen Hürden kein Unterfangen, das unterschätzt werden sollte. Mit guter Planung und der richtigen Beratung stehen die Chancen jedoch gut, dass Sie die Zulassung in das DiGA-Verzeichnis schaffen. Wir hoffen, dass Ihnen die obigen Empfehlungen für die Zulassung ihrer DiGA helfen, unnötigen Aufwand und potenzielle Risiken zu vermeiden.
Weitere Informationen zu Themen wie dem DiGA-Zulassungsprozess, dem Nachweis des positiven Versorgungseffekts und der Preisverhandlung finden Sie auch in unserem DiGA- und Medical Software-Blog.