Am 2. Februar 2024 wurde das neue Digital-Gesetz des Bundesministeriums für Gesundheit verabschiedet. Es berührt vielfältige Themen einer modernen Gesundheitsversorgung wie die elektronische Patientenakte ePA oder Regelungen um die Telematik-Infrastruktur. In Bezug auf DiGA klärt das Gesundheitsministerium wichtige Punkte, wie diese digitalen Lösungen in die Gesundheitsversorgung integriert werden. Für die Hersteller bedeuten diese Veränderungen sowohl neue Möglichkeiten als auch zusätzliche Anforderungen für die Zulassung von DiGA, die es zu beachten gilt. Diese möchten wir Ihnen im Folgenden vorstellen.
Überblick
- Das Digital-Gesetz: DigiG- Hintergründe und Ziele
- Welche Neuerungen ergeben sich für DiGA Hersteller?
- Aufnahme von DiGA der Risikoklasse IIb
- Formulierung zum Versorgungsanspruch Schwangerer
- Preisgestaltung anhand von Erfolgsmessungen
- Keine 14-tägige Rückgabefrist
- Zusendung von Freischaltcodes innerhalb von 2 Tagen durch die Krankenkassen
- Interoperabilität
- Telemedizinisches Monitoring
- Innovationsfonds
- Strukturierte Behandlungsprogramme bei Diabetes
- Schreiben der DiGA in die ePA und Implementierung der GesundheitsID
- Einführung und Weiterentwicklung des E-Rezepts
- Der Weg des DigiG durch die Beschlussgremien
- Die Stellungnahmen der Interessengruppen zum Entwurf des DigiG
- Fazit
Das Digital-Gesetz: DigiG- Hintergründe und Ziele
Das Digital-Gesetz (DigiG) ist das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Es wurde im Februar 2024 im Bundesrat final verabschiedet, um die zahlreichen Potenziale der digitalen Transformation in der Gesundheits- und Pflegebranche zu nutzen. Das DigiG hat das Ziel, das Gesundheitswesen effizienter, patientenzentrierter, sicherer und qualitativ hochwertiger zu gestalten und den Fortschritt in der Versorgung voranzutreiben. Es adressiert die Herausforderungen, die mit der Einführung digitaler Lösungen im Gesundheitswesen einhergehen. Unter anderem zielt das Gesetz darauf ab, die elektronische Patientenakte flächendeckend durch eine Opt-out-Lösung zu integrieren und das E-Rezept verbindlich weiterzuentwickeln, um die Patientensicherheit und die Versorgungsqualität zu verbessern.
Welche Neuerungen ergeben sich für DiGA Hersteller?
Aufnahme von DiGA der Risikoklasse IIb
DiGA der Risikoklasse I und IIa können bereits seit der Verabschiedung des Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG) im Dezember 2019 im Rahmen der Regelversorgung verordnet werden. Neu ist, dass laut Digital-Gesetz auch DiGA der Risikoklasse IIb zugelassen werden können. Hersteller können allerdings keine vorläufige Zulassung beantragen, sondern müssen den positiven Versorgungsnachweis direkt bei Antragstellung auf Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis mitreichen. Dies bedeutet, dass eine DiGA nicht schon während der Prüfung zum positiven Versorgungseffekt verordnet werden kann, wie es andernfalls im Fast-Track-Verfahren vorgesehen wäre (vorläufige Listung). Für Hersteller ergeben sich somit längere Zeiträume, die bis zur Umsatzgenerierung überbrückt werden müssen.
Formulierung zum Versorgungsanspruch Schwangerer
Im DigiG ist die Versorgung von Schwangeren mit DiGA nun ausdrücklich aufgeführt. Notwendig war dies, da eine regelhaft verlaufende Schwangerschaft als ICD-10 Code an sich keine Krankheit darstellt. Trotzdem ist im SGB V die medizinische Versorgung rund um Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett geregelt. Durch die explizite Aufzählung von digitalen Gesundheitsanwendungen im Wortlaut des SGB V soll nun klargestellt werden, dass die gesetzliche Krankenversicherung die Versorgung mit DiGA bei gesundheitlichen Problemen im Zusammenhang mit der Schwangerschaft abdeckt.
Als neuer Wortlaut im SGB V ist nun vorgesehen:
In § 24c Satz 1 Nummer 2 werden die Wörter „und Hilfsmitteln“ durch die Wörter „, Hilfsmitteln und digitalen Gesundheitsanwendungen“ ersetzt.
§ 24e wird wie folgt geändert: In Satz 1 werden die Wörter „und Hilfsmitteln“ durch die Wörter „Hilfsmitteln und digitalen Gesundheitsanwendungen“ ersetzt.
Weitere Änderungen betreffen die Paragrafen zur Zuzahlungsbefreiung bei Schwangerschaft. Eine nähere Erläuterung zur Abgrenzung des Versorgungsanspruchs bei regulär verlaufender Schwangerschaft steht jedoch aus, sodass diese Aufnahme in das Gesetz weiterhin Interpretationsspielraum bietet. Denn eine Verschreibung von DiGA allein aufgrund einer Schwangerschaft ist weiterhin nicht möglich.
Preisgestaltung anhand von Erfolgsmessungen
Zu beachten ist die obligatorische Einführung einer anwendungsbegleitenden Erfolgsmessung für alle im Verzeichnis gelisteten DiGA zum 1.1.2026. Die Ergebnisse dieser Erfolgsmessung müssen kontinuierlich an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldet und im Verzeichnis veröffentlicht werden. Das Bundesgesundheitsministerium sieht im DigiG außerdem einen Anteil von 20 % „erfolgsabhängiger Preisbestandteile” vor.
Denkbare Erfolgskriterien wären laut Überlegungen des BMG zum Beispiel, wie viele Stunden die Patienten eine DiGA durchschnittlich pro Tag nutzen und ob die Anwendung abgebrochen wird, im Gesetz sind jedoch keine konkreten Kriterien genannt. Da jedoch weder der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen noch die Hersteller die vom BMG vorgeschlagenen Kriterien für sinnvoll halten, wurde die verpflichtende Einführung der erfolgsabhängigen Preisbestandteile auf den 1.1.2026 festgelegt, um eine Bestimmung praxisrelevanterer Kriterien zu ermöglichen.
Diese neue Anforderung stellt eine zusätzliche Herausforderung für DiGA-Hersteller dar, wenn es darum geht, ihre Produkte gewinnbringend auf dem Markt zu positionieren. Einerseits muss ein entsprechendes Tracking umgesetzt werden, außerdem wird dadurch das Thema Adhärenz noch bedeutsamer.
Keine 14-tägige Rückgabefrist
Im ursprünglichen Gesetzesentwurf war eine 14-tägige Rückgabefrist vorgesehen: Patienten sollten sich eigenständig gegen die Nutzung einer DiGA in den ersten 14 Tagen entscheiden können. In diesem Zeitraum wäre die Nutzung kostenfrei gewesen. Dieses Verfahren wäre einzigartig im Bereich der durch Ärzte verordneten Therapien gewesen. Nicht zuletzt aufgrund des Einspruchs des SVDGV wurde dieser Absatz wieder aus dem Gesetzesentwurf gestrichen.
Zusendung von Freischaltcodes innerhalb von 2 Tagen durch die Krankenkassen
In der Vergangenheit mussten Patienten teilweise lange auf die Zusendung der Freischaltcodes warten, die zur Nutzung einer DiGA notwendig sind. Die für die Zustellung verantwortlichen Krankenkassen wurden nun dazu verpflichtet, diese Freischaltcodes innerhalb von zwei Tagen zuzusenden.
Interoperabilität
Interoperable Informationssysteme sind entscheidend für eine hochwertige Gesundheitsversorgung, aber aufgrund der Fragmentierung im deutschen Gesundheitssystem und der Vielfalt der Informationssysteme besteht die Gefahr von Qualitäts- und Quantitätseinbußen beim Austausch behandlungsrelevanter Daten. Um die Interoperabilitätsziele zu erreichen, wurde im DigiG beschlossen, die Verbindlichkeit von Standards und Profilen zu erhöhen, was zu einer verbesserten Datenverfügbarkeit, höherer Behandlungsqualität und stärkerem Schutz der Gesundheit und informationellen Selbstbestimmung der Versicherten führen soll.
Für DiGA verweist das DigiG auf die Regelung nach § 374a SGB V, die ab Mitte 2024 gilt. Damit soll eine größere Offenheit zwischen Hilfsmitteln/Implantaten und DiGA geschaffen werden, wodurch DiGA in Zukunft Zugang zu mehr Datenquellen erhalten sollen. Gerne können Sie sich dazu in unserem Blogartikel informieren.
Telemedizinisches Monitoring
Im Digital-Gesetz ist vorgesehen, dass Telemedizin einen festen Platz in der Gesundheitsversorgung einnimmt. Insbesondere sollen Videosprechstunden noch weitreichender genutzt und leichter in Anspruch genommen werden können. In einem ersten Schritt wird die bisherige Begrenzung für Videosprechstunden aufgehoben. Für DiGA-Hersteller könnte es interessant sein, dass umfassende Monitoringkonzepte, auch unter Einbeziehung von DiGA, erstattungsfähig werden sollen. Der TI-Messenger soll außerdem in DiGA eingebunden werden können. Da es sich hier vor allem um den weiteren Ausbau bestehender Strukturen handelt, wird die Zukunft zeigen, ob sich für DiGA-Hersteller Anknüpfungspunkte ergeben.
Quelle: Artikel des Handelsblatts zum Entwurf des DigiG
Innovationsfonds
Der Innovationsfonds soll Brücken zwischen den Versorgungsbereichen im Gesundheitswesen schaffen, die bisher nur mit Schwierigkeiten interagieren können. Finanziert wird er aus den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung. Ursprünglich war dieser Fonds bis 2024 befristet. Der Innovationsfonds erfährt eine Verstetigung und Erweiterung, um die Entwicklung innovativer Versorgungsformen und Versorgungsforschung zu fördern. Allerdings eröffnen sich für DiGA-Hersteller aufgrund der geltenden Antragsregeln keine neuen Fördermöglichkeiten. Produktbezogene Studien können nicht gefördert werden, und ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse an den Studienergebnissen stellt ein Ausschlusskriterium dar.
Hier geht es zur Website des Innovationsfonds.
Strukturierte Behandlungsprogramme bei Diabetes
Das DigiG sieht vor, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) neue strukturierte Behandlungsprogramme für Versicherte mit Diabetes mellitus Typ I und Typ II einführt, die auf digitalisierten Versorgungsprozessen basieren. Durch die Integration bisher getrennter Datenquellen bei Patienten und Leistungserbringern ermöglicht diese Maßnahme einen Versorgungsprozess, der gezielt digitale Technologien einsetzt und so eine effektivere Therapie gestattet. In Punkt 13 der Änderungsvorschläge zum SGB V werden „digitale Gesundheitsanwendungen“ konkret als Teil dieser digitalisierten Versorgungsprozesse erwähnt. Dies birgt interessante Anknüpfungspunkte für DiGA-Hersteller.
Schreiben der DiGA in die ePA und Implementierung der GesundheitsID
Zum 30.4.2024 muss zur Implementierung der GesundheitsID sowie das Schreiben der DiGA in die elektronische Patienenakte (ePA) umgesetzt sein. Das DigiG verweist hier auf den § 374a SGB V mit dem bereits die gesetzlichen Voraussetzungen dieser Verpflichtung existieren.
Einführung und Weiterentwicklung des E-Rezepts
Seit 1.1.2024 müssen Rezepte elektronisch ausgestellt werden. Im DigiG sind jedoch auch weitergehende Ziele festgelegt. So soll es möglich sein, die elektronische Gesundheitskarte über ein NFC-fähiges Smartphone einzulesen und so E-Rezepte auch bei Online-Apotheken einzulösen. Die Spezifikationen befinden sich jedoch derzeit noch in der Abstimmung.
Der Weg des DigiG durch die Beschlussgremien
Der DigiG-Referentenentwurf des BMG unter Karl Lauterbach musste bis zur endgültigen Verabschiedung im Bundestag noch verschiedene Hürden nehmen. Die unterschiedlichen Verhandlungsgremien inklusive des Zeitplans sind in der folgenden Grafik dargestellt. Am 2. Februar 2024 wurde das Gesetz final beschlossen, die damit gültige Version finden Sie hier.
Die Stellungnahmen der Interessengruppen zum Entwurf des DigiG
Angesichts der beabsichtigten Einführung des DigiG, hatten sowohl die Krankenversicherungen als auch die Herstellerseite umfassende Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf abgegeben. Dadurch kam es zu deutlichen Anpassungen im finalen Gesetz. Im Folgenden erläutern wir die wichtigsten Punkte der damaligen Stellungnahmen:
Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV) und Bundesverband Medizintechnologie
Der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV) hat 169 Mitglieder. Darunter finden sich auch viele DiGA-Hersteller. Begrüßt wurde die Möglichkeit, zukünftig auch DiGA der Risikoklasse IIb auf den Markt zu bringen. Dass diese DiGA laut DigiG vom Fast-Track-Verfahren ausgeschlossen werden, kann der SVDGV nicht nachvollziehen. Zahlreiche Beispiele aus der Softwarewelt könnten belegen, dass ein Medizinprodukt einer höheren Risikoklasse nicht automatisch komplexer und gefährlicher sei. Der Bundesverband Medizintechnologie sieht durch diese neue Auflage sogar den Erfolg von DiGA in Gefahr. Die Unternehmensvertretungen fordern, dass allen DiGA-Herstellern eine Erprobungsphase zugestanden wird.
Ebenso lehnte der SVDGV den inzwischen gestrichenen Vorschlag im DigiG ab, dass DiGA vom Patienten 14 Tage kostenlos getestet werden können. Die Start-up-Vertretung schlug zudem vor, den Erprobungszeitraum des Fast-Track-Verfahrens zu verlängern. Denn wenn ein Unternehmen erst am Ende der Erprobungsphase Studienergebnisse vorlegen kann, werden diese vom BfArM nicht mehr geprüft. Der SVDGV begrüßte die Pläne, den Anspruch auf DiGA für Schwangerschaft und Mutterschaft explizit im Gesetzesentwurf aufzunehmen. Um deren Gesundheitsversorgung zu verbessern, sollte nach Ansicht des Verbandes jedoch deutlicher werden, dass Schwangere und Mütter immer Anspruch auf eine DiGA haben. Zusätzlich wünschte sich der SVDGV eine Aufnahme normal verlaufender Schwangerschaften über den entsprechenden ICD-10 Code. Die Start-up-Vertretung schlug außerdem vor, künftig auch Verhütungs-Apps als DiGA zuzulassen.
Mehr dazu lesen Sie in der vollständigen Stellungnahme.
Kassenärztliche Bundesvereinigung
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ging in ihrer Stellungnahme zum DigiG nur mit knappen Worten auf DiGA ein. Sie befürwortete, dass die Zulassung von DiGA der Risikoklasse IIb im Gesetzesentwurf mit dem Ausschluss der vorläufigen Zulassung ohne abgeschlossenen Evidenznachweis einhergeht. Zusätzlich plädierte der KBV dafür, dass für die Verordnung von DiGA ein genereller Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen eingeführt wird, wie er auch für andere nicht genehmigungspflichtige Leistungen zur Gesundheit wie zum Beispiel häusliche Krankenpflege gilt.
Lesen Sie die Stellungnahme zum Gesetzesentwurf hier im Volltext.
GKV-Spitzenverband
Der GKV-Spitzenverband lehnte ebenfalls, wie in Karl Lauterbachs Entwurf zum DigiG vorgesehen, die vorläufige Aufnahme einer App der Risikoklasse IIb ohne Evidenznachweis in das DiGA-Verzeichnis ab. Allerdings hält die Kassenvertretung das sogenannte Fast-Track-Verfahren zur vorläufigen Zulassung vor dem positiven Versorgungsnachweis bereits heute im Ganzen für ungeeignet.
Der GKV-Spitzenverband unterstützte die Nutzung digitaler Gesundheitsanwendungen zur Verbesserung der medizinischen Versorgung von Schwangeren. Die Erweiterung des Anspruchs auf solche Anwendungen betrifft Schwangere mit spezifischen Gesundheitsproblemen, jedoch nicht normale Schwangerschaftsbegleitung oder Präventionsanwendungen. Aufgrund fehlender Klarheit in den bestehenden Gesetzen forderte der GKV-Spitzenverband eine präzisere Definition der Anwendungszwecke und -voraussetzungen durch den Gesetzgeber. Dies solle sicherstellen, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gezielt auf die Bedürfnisse von Schwangeren mit Gesundheitsproblemen ausgerichtet sind.
Mehr dazu steht in der Stellungnahme des GKV-Spitzenverbands.
Fazit
Das DigiG legt den Kurs für die Zukunft der digitalen Gesundheitsversorgung fest. Insgesamt wird das DigiG begrüßt und als wichtiger Schritt der Digitalisierung im Gesundheitswesen betrachtet. Es ergeben sich aus dem Gesetz jedoch gemischte Auswirkungen für DiGA-Hersteller. Die Möglichkeit der Zulassung von DiGA der Risikoklasse IIb ist positiv zu bewerten. Gleichzeitig stellen der Ausschluss dieser DiGA aus der vorläufigen Zulassung und die verpflichtende Erfolgsmessung Herausforderungen für die Hersteller dar. Auch die weiterhin bestehenden Unklarheiten bezüglich DiGA bei Schwangerschaft könnten sich als Hindernis erweisen. Die genauen Auswirkungen werden sich erst im Verlauf der Zeit zeigen.