Das Digitale-Versorgung-Gesetz zur „bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation“ ist am 19. Dezember 2019 in Kraft getreten. Das Ziel des sogenannten „Digitale-Versorgung-Gesetz“ (DVG): Patienten dürfen sich Gesundheitsanwendungen von ihrem Arzt verschreiben lassen, Telemedizin wird zugänglicher und digitale Innovationen werden stärker gefördert. Auch die Einführung der elektronischen Patientenakte (auf der Telematik Infrastruktur) im Januar 2021 wurde vom DVG initiiert.
In diesem Artikel erklären wir, was mit „Ärzte dürfen Apps verschreiben“ gemeint ist und speziell wie App-Hersteller ihre App verschreiben lassen können. Das DVG macht die Finanzierung von Apps nicht nur einfacher, sondern soll den Verhandlungsprozess mit den Krankenkassen auch noch erheblich beschleunigen.
Apps verschreiben
Grundsätzlich ist nicht von Apps, sondern allgemein von Gesundheitsanwendungen die Rede. Es geht um Medizinprodukte, die durch digitale Technologien die Erkennung, Überwachung, Behandlung, Kompensierung oder Linderung von Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen unterstützen. Dazu zählen zum Beispiel Apps, die Diabetes Patienten helfen, ihren Blutzucker-Spiegel zu dokumentieren oder Apps, die ihre Patienten an das Einnehmen von Medikamenten erinnern.
Patienten können solche Anwendungen künftig durch Verordnung des behandelnden Arztes oder mit Genehmigung der Krankenkasse beziehen. Der App-Hersteller wird dafür entsprechend monetär kompensiert.
Dafür muss der App-Hersteller aber erstmal seine App beim BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) einreichen und prüfen lassen. Wenn das BfArM zustimmt, wird die App vorläufig ein Jahr lang von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt. Sobald auch ein positiver Versorgungseffekt nachgewiesen werden konnte, verhandelt der GKV-Spitzenverband gemeinsam mit dem Hersteller über die Höhe der Erstattungsbeträge durch die Krankenkassen. Vor der dauerhaften Aufnahme gelten die vom Hersteller festgelegten Preise.
Beschleunigte Markteinführung
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die beschleunigte Markteinführung: Das BfArM entscheidet innerhalb von 3 Monaten über den Antrag nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen. Akzeptiert das BfArM die Anwendung/App, wird sie in das DiGA-Verzeichnis (Digitale Gesundheits-Anwendungen) aufgenommen.
Nach der dauerhaften Aufnahme beginnt die Verhandlungsphase über den Erstattungsbetrag für die App mit dem GKV-Spitzenverband. Auch hier gibt es einen klaren Zeitplan: Sollte innerhalb von sechs Monaten nach Verhandlungsbeginn keine Vereinbarung zustande kommen, legt die Schiedsstelle innerhalb von 3 Monaten die Vergütungsbeiträge fest.
Wenn die Gesundheitsanwendung alle Kriterien erfüllt, sind damit alle Wege für eine zügige Markteinführung geebnet. Das erleichtert insbesondere Startups den ohnehin schwierigen Eintritt in den Gesundheitsmarkt.
Kriterien für die Aufnahme in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen
Akzeptiert das BfArM die Anwendung/App, wird sie in das DiGA-Verzeichnis (Digitale Gesundheits-Anwendungen) aufgenommen. Für die Aufnahme muss die Anwendung laut Aussage des BfArM u.a. folgende Kriterien erfüllen. Alle Details zum Verfahren inkl. der genauen Kriterien zur Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis werden in einer ergänzenden Rechtsverordnung behandelt. Diese Rechtsverordnung nennt sich DiGAV (Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung). Wir haben zur DiGAV hier einen umfangreichen Leitfaden geschrieben. Hier ist schon mal ein grober Überblick:
#1: Die Anwendung muss ein Medizinprodukt von einer niedrigen Risikoklasse (Klasse I oder IIa) sein und erfolgreich ein Konformitätsbewertungsverfahren nach MDR (Medical Device Regulation) bzw. MDD (Medical Device Directive) absolviert haben.
Dieses Kriterium ist sehr klar und die Erfüllung ist über die MDR bzw. MDD konkret geregelt. Wie Sie entscheiden können, ob Ihre Anwendung ein Medizinprodukt ist, erklären wir in einem gesonderten Artikel. Wenn Sie bereits wissen, dass es sich um ein Medizinprodukt handelt, finden Sie dessen Risikoklasse mit unserem MDR-Leitfaden.
#2: Es müssen positive Versorgungseffekte durch die Anwendung nachgewiesen werden.
Die DiGA muss positive Versorgungseffekte nachweisen. Sollte der Hersteller anfangs noch keine positiven Versorgungseffekte nachweisen können, kann er trotzdem beantragen, dass die digitale Gesundheitsanwendung in das DiGA-Verzeichnis zur Erprobung aufgenommen wird. Mit ausreichender Begründung kann dieser Zeitraum um bis zu 12 weitere Monate verlängert werden. Mehr Informationen dazu gibt es in unserem Leitfaden zur DiGAV.
#3: Die Anwendung wird auf Sicherheit, Funktionstauglichkeit und Qualität geprüft
Da die Anwendung ein Medizinprodukt sein muss, wird dieses Kriterium auf natürliche Weise erfüllt sein. Einen besseren Nachweis von Sicherheit, Funktionstauglichkeit und Qualität als das Medizinprodukte-Gesetz/Medizinprodukte-Verordnung gibt es für Gesundheitsanwendungen aktuell nicht.
#4: Die Anwendung muss Datensicherheit und Datenschutz gewährleisten
Man unterscheidet grundsätzlich zwischen Datensicherheit und Datenschutz. Bei Datensicherheit geht es um technische Schutzvorkehrungen zum Schutz von Daten (vor Viren, Manipulationen, Hackern etc.). Datenschutz beschreibt wie personenbezogene Daten weiterverarbeitet werden können, um vor Missbrauch geschützt zu sein (gesetzlich geregelt).
Bei Datensicherheit und Datenschutz macht das Medizinproduktegesetz und die DSGVO bereits Vorgaben. Das BfArM fragt hier zusätzlich anhand eines Fragebogens konkrete Vorgaben ab, wie sich in der DiGAV einsehen lässt. Spätestens ab 2022 wird sogar eine Zertifizierung gemäß der ISO 27000-Reihe gefordert. Ab 2023 müssen alle DiGA (auch die bereits gelisteten) über ein Datensicherheits-Zertifikat des BSI und ein Datenschutz-Zertifikat verfügen. In diesem Artikel erfahren Sie mehr: Datensicherheits- und Datenschutz-Zertifikate für DiGA
Neben den genannten Kriterien gibt es noch einige weitere Bedingungen, die wir hier nicht näher erläutern. Eine vollständige Liste aller Kriterien finden Sie in unserem Artikel zum Thema “Ist Ihre App eine DiGA?”.
Wenn die Applikation alle Kriterien erfüllt und vom BfArM akzeptiert wird, erstatten gesetzliche Krankenkassen ein Jahr lang die Kosten der Anwendung. Der Hersteller muss während dieser Zeit nachweisen, ob seine App die Versorgung der Patienten bessert. Nach Ablauf des Jahres wird dann evaluiert, ob die Applikation weiterhin im DiGA-Verzeichnis bleibt oder nicht. Grundsätzlich berät das BfArM auch Unternehmen bezüglich der Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis (kostenpflichtig).
Fazit
Das Digitale-Versorgung-Gesetz ist ein wichtiger Schritt, um in Deutschland auch in Zukunft kontinuierliche Innovation im Gesundheitsbereich zu ermöglichen. Die konkreten Bestimmungen sind ein längst überfälliger Schritt, um die Digitalisierung des Gesundheitswesens voran zu treiben.
Die Markteinführung von Gesundheits-Apps wird dadurch nicht nur erleichtert, sondern auch beschleunigt. Das wird es mehr Unternehmen ermöglichen innovative, digitale Produkte auf den Markt zu bringen.
Natürlich ist nicht jede Gesundheits-App sinnvoll. Es ist daher wichtig, dass der Nutzen jeder Gesundheitsanwendung hinterfragt wird. Dass Kassen für Anwendungen zahlen, die keinen Mehrwert für die Behandlung des Patienten bieten, darf nicht die Folge sein.
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