Stand 19. April 2021

Am 19. Dezember 2019 ist das Digitale-Versorgung-Gesetz in Kraft getreten. Eine der größten Änderungen: Digitale Gesundheits-Anwendungen (DiGA) können nun von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden, wenn sie bestimmte Anforderungen erfüllen. Dafür stellt der Hersteller der Gesundheitsanwendung einen Antrag zur Prüfung dieser Anforderungen an das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte), um in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen zu werden und somit erstattungsfähig zu sein.

Doch welche Anforderungen muss eine DiGA eigentlich erfüllen? Wie läuft die Antragsprozedur ab? Was kostet das Ganze? Derartige Fragen beschäftigen aktuell viele Unternehmen, die eine Medical App bzw. Medical Software planen. Die Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV) hat das Ziel derartige Themen zu regeln. Sie ist am 20. April 2020 in Kraft getreten.

Die DiGAV gibt sehr genau Aufschluss, welche Anforderungen an Apps gestellt werden. Wir sind als Software-Dienstleister spezialisiert auf die Entwicklung von Medical Apps. Daher ist das DVG und die DiGAV für viele unserer Kunden ein großes Thema. In diesem Artikel behandeln wir die wichtigsten Inhalte der DiGAV. Falls Sie die Entwicklung einer digitalen Pflegeanwendung (DiPA) planen, lesen Sie unseren DiPA-Leitfaden.

Links zur DiGAV

Vorab finden Sie hier die DiGAV in verschiedenen Formaten, falls Sie bestimmte Dinge dieses Leitfadens später im Detail nachschlagen möchten:

Falls Sie nach diesem Artikel detailliertere Infos zu bestimmten Themen benötigen, lohnt sich ein Blick in den offiziellen DiGA-Leitfaden des BfArM (141 Seiten)

Inhalte der Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV)

Wichtig: Alle Angaben in diesem Artikel sind ohne Gewähr. Wir sind keine Anwälte, die juristische Beratung anbieten. Inhalte dieses Artikels sind das Ergebnis von intensiven Recherchen, die natürlich dennoch Fehler enthalten könnten.

Im Folgendem werden wir alle Themenblöcke der DiGAV strukturiert durchgehen, um Ihnen einen besseren Überblick zu verschaffen. Jeden Themenblock der DiGAV fassen wir hier zusammen und zeigen auf, wo Sie ggf. mehr Informationen zu dem jeweiligen Paragraphen finden können. Hier sind alle inhaltlichen Punkte der DiGAV für Sie auf einen Blick dargestellt (wir haben die Punkte der DiGAV thematisch gruppiert, um ähnliche Punkte gemeinsam zu behandeln):

  1. Problem, Ziel, Lösung der Verordnung
  2. Anforderungen an DiGA
    • Anforderungen an Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Datenschutz, Datensicherheit und Qualität digitaler Gesundheitsanwendungen
    • Anforderungen an den Nachweis positiver Versorgungseffekte
  3. Antrag
    • Antragsverfahren beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
    • Antragsinhalte
    • Beratung durch das BfArM
  4. Inhalte und Veröffentlichung des Verzeichnisses für digitale Gesundheitsanwendungen
  5. Gebühren und Auslagen
  6. Anzeige wesentlicher Veränderungen
  7. Schiedsverfahren

1. Problem, Ziel, Lösungsansatz der DiGAV

Das Problem: Aktuell nutzen Versicherte digitale Gesundheitsanwendungen meist komplett auf eigene Kosten. Außerdem haben Patienten keine strukturierten Informationen zu Leistungen und Qualität von digitalen Gesundheitsanwendungen, oder ob die Anwendung gewisse Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit erfüllt.

Die Lösung und das Ziel: Ein zentrales Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen wird aufgebaut. In dieses Verzeichnis (sog. DiGA-Verzeichnis) gelangen nur Anwendungen, die Anforderungen an Sicherheit, Qualität, Datenschutz und Datensicherheit erfüllen. Außerdem müssen sie sog. positive Versorgungseffekte nachweisen. Dafür gibt es ein unabhängiges, strukturiertes und verlässliches Prüfverfahren, das die Einhaltung der definierten Anforderungen dauerhaft sicherstellt. Das Verzeichnis ist nutzerfreundlich und transparent für Patienten zugänglich.

Kommentar unsererseits: Einige, wenige Unternehmen hatten auch zuvor schon mühsam erarbeitete Selektivverträge mit Krankenversicherungen, um die Erstattung Ihrer Anwendungen zu ermöglichen. Dies ist jedoch eher die Ausnahme als die Regel. Außerdem müssen derartige Verträge mit jeder einzelnen Krankenversicherung separat verhandelt werden. Das DVG ermöglicht Ihnen als Hersteller Zugang zu allen Krankenversicherungen über einen standardisierten Prozess.
Patienten kämpfen sich bei der Recherche zu Qualität, Datenschutz und Datensicherheit von Gesundheitsanwendungen aktuell durch einen unorganisierten Zertifikatsdschungel. Das DVG soll den einheitlichen “Gütestempel” für die Erfüllung all dieser Kriterien liefern.

2. Anforderungen an DiGA

Für Sie als Hersteller wohl am interessantesten sind die konkreten Anforderungen, die Ihre Medical App bzw. Medical Software erfüllen muss, um ins DiGA-Verzeichnis aufgenommen zu werden. Die DiGAV enthält u.a. einen sehr konkreten Fragebogen in Anlage 1, der diese Anforderungen im Detail abfragt.
Um hier schon mal einen Überblick zu verschaffen, listen wir die Kategorien aller in der Verordnung genannten Anforderungen auf.

Anforderungen an Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Datenschutz, Datensicherheit und Qualität digitaler Gesundheitsanwendungen

Zum ersten stellt die DiGAV Anforderungen an Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Datenschutz, Datensicherheit und Qualität digitaler Gesundheitsanwendungen:

  1. Anforderungen an Sicherheit und Funktionstauglichkeit
  2. Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit
  3. Anforderungen an Qualität und Interoperabilität
  4. Anforderungen an Robustheit
  5. Anforderungen an Verbraucherschutz
  6. Anforderungen an Nutzerfreundlichkeit
  7. Anforderungen an die Unterstützung der Leistungserbringer
  8. Anforderungen an die Qualität der medizinischen Inhalte
  9. Anforderungen an die Patientensicherheit

Damit Ihre App im Rahmen des DVG erstattungsfähig ist, muss sie ein Medizinprodukt niedriger Risikoklasse sein. Daher müssen Sie viele dieser Kriterien ohnehin schon erfüllen (nach MDR oder MDD). Wie Sie entscheiden können, ob Ihre Anwendung ein Medizinprodukt ist, erklären wir in einem gesonderten Artikel. Dabei hilft Ihnen unser Artikel zur Formulierung der Zweckbestimmung und im Anschluss finden Sie die richtige Risikoklasse in unserem entsprechenden MDR-Leitfaden.

Mehr Informationen zur Entwicklung von Medical Apps finden Sie außerdem auch in einem unserem Medical App Development Leitfaden. Der wirklich relevante Teil im Rahmen des DVG wird für Sie der Nachweis positiver Versorgungseffekte sein, den wir im nächsten Abschnitt erklären.

Mehr Details in Abschnitt 2 (§3 – §7) der DiGAV

Anforderungen an den Nachweis positiver Versorgungseffekte

Zum zweiten stellt die DiGAV Anforderungen an den Nachweis positiver Versorgungseffekte. Sie geht zuerst darauf ein, was mit dem Begriff genau gemeint ist. Danach wird die korrekte Darlegung dieser positiven Versorgungseffekt näher spezifiziert. Die DiGAV geht auch auf Studien zum Nachweis positiver Versorgungseffekte ein. Falls Sie derartige Studien zum Antragszeitpunkt nicht vorliegen haben, müssen Sie außerdem ein wissenschaftliches Evaluationskonzept vorlegen, mit dem Sie zu einem späteren Zeitpunkt die Versorgungseffekte auswerten.

Mehr Details in Abschnitt 3 (§8 – §15) der DiGAV

3. Antrag

In der DiGAV wird außerdem erläutert, wie der Antrag zur Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis abläuft und welche Inhalte dieser haben sollte.

Ablauf des Antrags

Nach Antragsstellung muss das BfArM dem Antragssteller innerhalb von 14 Tagen den vollständigen Eingang der Antragsunterlagen bestätigen oder die Ergänzung fehlender Unterlagen anfordern. Falls Sie zum Zeitpunkt des Antrags einen positiven Versorgungseffekt noch nicht ausreichend nachweisen können (z.B. durch klinische Studien), können Sie eine Erprobungsphase beantragen. Wie lange diese Erprobungsphase dauert, entscheidet das BfArM.

Spätestens zum Ende der Erprobungsphase müssen Sie einen positiven Versorgungseffekt nachweisen. Wenn Sie dies nicht können, müssen Sie dies ausreichend begründen. Falls Sie sinnvoll zeigen können, warum Sie doch noch mehr Zeit zum Nachweis des positiven Versorgungseffekts brauchen, wird die Probephase optional um bis zu 12 Monate verlängert.

Mehr Details in Abschnitt 4 (§16 und §17) der DiGAV

Inhalt des Antrags

Der Antrag beinhaltet u.a. Angaben zu folgenden Punkten:

  1. Hersteller und identifizierende Merkmale der DiGA
  2. Medizinische Zweckbestimmung 
  3. Zugehörige benannte Stelle (falls zutreffend)
  4. Gebrauchsanweisung
  5. Zielsetzung, Inhalt und Nutzung der DiGA in einer allgemeinverständlichen Form
  6. Funktionen der DiGA
  7. An der Entwicklung beteiligte medizinischen Einrichtungen und Organisationen (falls zutreffend)
  8. Quellen für umgesetzte medizinischen Inhalte und Verfahren, insbesondere Leitlinien, Lehrwerke und Studien
  9. Vorliegender oder geplanter Nachweis positiver Versorgungseffekte
  10. Definition der Patientengruppe
  11. Vorliegender oder geplanter Nachweis positiver Versorgungseffekte für die definierte Patientengruppe
  12. Studie(n) zum Nachweis positiver Versorgungseffekte
  13. Diagnostische Instrumente, die für die Studie zur Ermittlung der Testgenauigkeit genutzt wurden (falls zutreffend)
  14. Zugehörige herstellerunabhängige Institution (falls zutreffend)
  15. Erfüllung der genannten Anforderungen an DiGA
  16. In der DiGA vorgesehene Nutzerrollen
  17. Qualitätsgesicherte Anwendung der digitalen Gesundheitsanwendung inkusive Ausschlusskriterien für die Nutzung
  18. Ärztliche Leistungen, die für die Anwendung der DiGA benötigt werden
  19. Mindestdauer der Nutzung der DiGA
  20. Standorten der Datenverarbeitung
  21. Kompatibilitätszusagen wie unterstützte Plattformen und Geräte sowie erforderliche Zusatzprodukte
  22. Genutzte Standards und Profile zur Herstellung semantischer und technischer Interoperabilität
  23. Deckungssumme der vom Hersteller für Personenschäden abgeschlossenen Haftpflichtversicherung
  24. Preise der DiGA

Mehr Details in Abschnitt 1 (§2) der DiGAV

Beratung durch das BfArM

Das BfArM berät Sie als Hersteller über den Verfahrensablauf und den mit dem Antrag vorzulegenden Angaben und Nachweisen. Das beinhaltet insbesondere die Beratung zum Nachweis positiver Versorgungseffekte und der korrekten Anzeige wesentlicher Änderungen (nach Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis). Das ist natürlich gebührenpflichtig.

Konkret organisiert das BfArM dafür z.B. Beratungstage und Workshops in Deutschland

Mehr Details in Abschnitt 6 (§23) der DiGAV

4. Inhalte und Veröffentlichung des Verzeichnisses für digitale Gesundheitsanwendungen

Das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen wird im Internet veröffentlicht und soll für mehr Transparenz und Übersicht sorgen. Das Verzeichnis wurde bereits veröffentlicht und ist hier einsehbar.

Über jede DiGA werden u.a. Angaben veröffentlicht zu…

  1. nachgewiesenen oder nachzuweisenden positiven Versorgungseffekten
  2. vorgelegten Studien einschließlich eines Verweises auf Veröffentlichungsort der Studien
  3. Sensitivität und Spezifität der diagnostischen Instrumente der DiGA 
  4. Vergütungsbeträgen
  5. Mehrkosten
  6. notwendigen ärztlichen Leistungen

Mehr Details in Abschnitt 5 (§20 – §22) der DiGAV

5. Gebühren und Auslagen

Die DiGAV geht konkret auf Gebühren und Auslagen ein. Zusammengefasst können Sie für die Entscheidung zur Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis, ganz grob mit Kosten zwischen 3.000 Euro und 10.000 Euro rechnen. Außerdem werden Gebühren für Auskünfte und Beratung genannt. Dies erfolgt abhängig vom Aufwand, und kostet mindestens 250 Euro und maximal 5.000 Euro. Für spätere Änderungsanzeigen nach Aufnahme in das Verzeichnis können für Sie Kosten in Höhe von 1.500 Euro bis 4.900 Euro (pro Änderungsanzeige) entstehen. Auch für eine mögliche Ablehnung oder Zurücknahme des Antrags werden Kostenpunkte genannt.

Mehr Details in Abschnitt 7 (§24 – §33) der DiGAV

6. Anzeige wesentlicher Veränderungen

Sobald Ihre Medical App bzw. Medical Software es ins DiGA-Verzeichnis geschafft hat, müssen Sie wesentliche Änderungen an der DiGA frühzeitig anzeigen. Eine Änderung an Ihrer Anwendung könnte dazu führen, dass diese nicht mehr die Anforderungen für die Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis erfüllt. Dies würde bei der Anzeige jener Änderung sichtbar werden und kann zur Streichung aus dem DiGA-Verzeichnis führen. 

Es müssen allerdings nur Änderungen angezeigt werden, die wesentlichen Einfluss auf die Erfüllung der Anforderungen an Sicherheit, Funktionstauglichkeit und Qualität des Medizinproduktes, der Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit oder den Nachweis der positiven Versorgungseffekte ausüben oder zu Änderungen der Patientengruppen, für die die positiven Versorgungseffekte nachgewiesen wurden, führen. 
Außerdem müssen Veränderungen angezeigt werden, die im DiGA-Verzeichnis bekannt gemachte Angaben ändern.

Mehr Details in Abschnitt 4 (§18 und §19) der DiGAV

7. Schiedsverfahren

Falls es zu einem Schiedsverfahren kommt, regelt die DiGAV hier den Ablauf und Zusammensetzung der Schiedsstelle.

Mehr Details in Abschnitt 8 (§34 – §42) der DiGAV

Fazit

Alle Anforderungen der DiGAV zu erfüllen, ist gar nicht so leicht. Besonders weil jede DiGA ein Medizinprodukt sein muss, kommen nicht unerhebliche Kosten und Aufwände auf Medical App- bzw. Medical Software-Hersteller zu. Die Innovation wird dadurch zwar gefördert, aber man sollte es nicht leichtsinnig als “den leichten Weg zum großen Geld” ansehen. Wenn Sie es trotz aller Hürden als Hersteller in das DiGA-Verzeichnis schaffen, haben Sie natürlich einen starken kompetitiven Vorteil (gerade weil es nicht einfach ist, dort hinein zu gelangen). Was Ende 2019 in Deutschland begann, wird jetzt auch vom Nachbarn Frankreich übernommen: DiGA werden zum Exportschlager – inklusive eines französischen Äquivalents zum Fast-Track-Verfahren. Mehr über die DiGA-Anforderungen in Frankreich erfahren Sie in diesem Blogartikel.

Uns hat besonders gut gefallen, dass es eine klare Liste von Fragen gibt, die man zur Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis beantworten soll. 124 Fragen, viel konkreter hätte man es nicht machen können. Die Fragen wirken sinnvoll und sind eine ideale Checkliste für die Entwicklung qualitativ hochwertiger Medical Apps. Wenn Sie mehr Informationen benötigen: am 19. April 2020 hat das BfArM außerdem einen sehr umfangreichen Leitfaden zum DiGA-Fasttrack veröffentlicht

Falls Sie eine Medical App bzw. DiGA planen und Unterstützung bei der Entwicklung benötigen, setzen Sie sich gerne mit uns in Kontakt und wir besprechen das Ganze zusammen unverbindlich. Wir entwickeln Medical Apps für Unternehmen und Forschungseinrichtungen auf Auftragsbasis.

Weitere Fragen? Rufen Sie uns gerne an (+49 (0) 89 54998380) oder schreiben uns eine Email ([email protected]).